Mandäer
Die Mandäer sind Angehörige eines monotheistischen Glaubens mit etwa 60.000 Anhängern.
Die Mandäer (von aramäisch manda, Erkenntnis) werden in einigen Texten auch Nazoräer genannt (von ostaramäisch נצר : bewachen, beobachten, wohl „Leute, die [bestimmte Riten] beachten“). Diese Bezeichnung ist teilweise auf fromme Mandäer, nicht jedoch die Priester allein, beschränkt. Diese Nazoräer sind jedoch nach der wissenschaftlichen Mehrheitsmeinung kein Zweig der aramäisch-sprachigen Christen, deren konfessionsübergreifende Selbstbezeichnung ebenfalls Nazoräer ist.
Seit islamischer Zeit findet sich als Fremdbezeichnung auch Sabier (Sabäer, wohl von aramäisch sba, taufen), eine Benennung, die im Koran für eine (zu tolerierende) Buchreligion gebraucht wird. In älterer Literatur werden sie auch fälschlich als „Johannes-Christen“ (da ihr Christos – Gesalbter – Johannes der Täufer sei) bezeichnet. Die Kultsprache, das Mandäische, ist eine ostaramäische Sprache.
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Geschichte
Die Mandäer gehen vermutlich auf die Täuferbewegung in jüdischen und judenchristlichen Sekten (besonders Elkesaiten) zurück, die zur Zeit der Entstehung des Neuen Testaments in Palästina und Syrien existierten. Zeitweilig ging die Forschung (Rudolf Macuch, Kurt Rudolph und Rudolf Bultmann) von einer Entstehung der mandäischen Religion unabhängig vom Christentum und Emigration einer schon entwickelten mandäischen Gemeinde im 1. oder 2. Jahrhundert über Syrien in den Irak aus. In dieser Phase der Mandäerforschung wurde die Entstehung z. T. sogar bis ins 1. Jahrhundert v. Chr. datiert. Diese Frühdatierungen lassen sich so nicht mehr halten.
Vielmehr ist es heute Forschungsstand, dass man erst nach Verschmelzung einer zugewanderten Gruppe von Gnostikern mit Teilen der einheimischen Bevölkerung im Südirak vom Mandäismus sprechen kann. Das gnostische Element entspricht weitgehend einem gnostischen Christentum, das in Nordsyrien und Mesopotamien vor der Eingliederung in die byzantinische Reichskirche vorherrschend war. Auch die Ablehnung des Christentums richtet sich vor allem gegen Vorstellungen, die es in dieser Region erst in byzantinischer Zeit gab, so dass vermutet wird, dass die wohl zwischen Mitte des 2. Jahrhunderts und Mitte des 3. Jahrhunderts zugewanderten Gnostiker eine häretische Gruppe des Christentums darstellten. Als Quelle für die Wanderung der Mandäer steht nur die stark stilisierte Harran-Gawaitha-Legende zur Verfügung, deren Entstehung jedoch recht spät anzusetzen ist.
Anfang des 20. Jhdts. vermuteten Heinrich Weinel, Eduard Norden und noch Richard Reitzenstein, dass die Geburtsgeschichte des Täufers beim Evangelisten Lukas und bei den Mandäern von früheren Täufergruppen übernommen worden seien. Jedoch hat die Analyse der Texte durch Kurt Rudolph (Die Mandäer I, S. 66ff.) gezeigt, dass die Jüngerschaft Johannes des Täufers keinerlei Beziehung zu den Mandäern hatte. Vielmehr sind lediglich in späten mandäischen Texten einige Motive aus christlichen Quellen (Name und hohes Alter der Eltern, Tempelbesuch des Zacharias, Namensgebung) mit einer neuen mandäischen Kindheitsgeschichte des Johannes verbunden worden.
Vor Entdeckung des Mani-Kodexes glaubte man, der Vater des Religionsstifters Mani sei Angehöriger der urmandäischen Täufergruppe gewesen. Heute weiß man, dass es sich dabei um die nicht mit dieser Gruppe identischen Elkesaiten handelte.
Der Glaube
Der synkretistische Glaube der Mandäer enthält jüdische, christliche und gnostische Elemente. Johannes der Täufer wird als Reformator ihrer Religion angesehen, Jesus hingegen als falscher Prophet. Johannes taufte nicht nur Jesus, sondern auch den mandäischen Erlöser, Manda d-Hajje (Erkenntnis des Lebens). Dieser wurde vom obersten Gott (Mana rurbe) auf die vom gefallenen Demiurgen Ptahil geschaffene Erde (Tibil) gesandt, um dem fleischlichen Adam (Adam pagria) und dessen Gattin Hawa die Offenbarung über ihre Herkunft zu bringen, damit sie durch wahres Wissen zur Erlösung finden. Nach der Erschaffung der Welt hat er eine Höllenfahrt unternommen, um die bösen Mächte zu überwinden und zu fesseln (siehe hierzu Höllenfahrt Christi). Manda d-Hajje hilft den Seelen der Toten bei ihrem Aufstieg in die Lichtwelt, bei der sie die von Dämonen bewachten Wachstationen durchqueren müssen. Bei der Schöpfung ließ sich Ptahil von der Dämonin Ruha (der christliche Heilige Geist) helfen. Am Ende der Tage wird Hibil (der himmlische Abel als Lichtgestalt, der oft mit Manda d-Hajje gleichgesetzt wird) alle frommen Seelen aus der Unterwelt erlösen, ebenso Ptahil und seinen Vater Abathur.
Grundsakramente der Mandäer sind die Erlösung durch wiederholte Taufe, die in sonntäglichen Gottesdiensten und bei besonderen Anlässen (Hochzeit, nach Geburt, bei Tod) in fließendem Wasser, zumeist im Mandi-Becken, stattfindet, und die nicht-öffentliche Toten- und Seelenmesse, die dem Aufstieg der Seele dienen soll und zusammen mit der Taufe Voraussetzung für deren Erlösung bildet. Zu den Riten gehört auch eine kultische Mahlzeit (Abendmahl), bestehend aus Brot (Pihta) und einem Trank aus konsekriertem Wasser (Mambuha). Dieses wird vom Priester stehend „bereitet“ und von den Gläubigen „genommen“. Taufe und Mahl weisen etliche Parallelen zum syrisch-christlichen Ritus auf und gehen auf gemeinsame Wurzeln zurück.
Untersagt war – neben den verbotenen Handlungen aus den Zehn Geboten – jede Form von Selbstverstümmelung einschließlich der Beschneidung, freiwillige sexuelle Askese und das Trinken von Alkohol. Ehe und Familie sind wichtige moralische Aufgaben.
Die Zugehörigkeit zur mandäischen Religionsgemeinschaft ist heute ethnisch begründet, Konvertiten werden nicht aufgenommen. Dies ist jedoch nach den Quellen in vorislamischer Zeit anders gewesen. Das Verbot mag daher eine Reaktion auf die islamische Umwelt sein, die Konversionen zum Islam förderte, Konversionen vom Islam weg mit der Todesstrafe belegte. Durch Heirat mit Nichtmandäern (auch Zwangsheirat) verlieren Mandäer ihre Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft.
Die Priesterschaft ist hierarchisch unterteilt in Tarmide (Jünger) und Ganzbare (Schatzmeister = Bischöfe), Oberhaupt ist der Ris Ama. Heute sind die oberen hierarchischen Ränge teilweise unbesetzt.
Das heilige Buch der Mandäer ist das Sidra Rabba (auch Ginza, Schatz). Auszug nach Lidzbarski:
"Wenn Johannes in jenem Zeitalter Jerusalems lebt, den Jordan nimmt und die Taufe vollzieht, kommt Jesus Christus, geht in Demut einher, empfängt die Taufe des Johannes und wird durch die Weisheit des Johannes weise. Dann aber verdreht er die Rede des Johannes, verändert die Taufe im Jordan und predigt Frevel und Trug in der Welt. Christus wird die Völker spalten, die zwölf Verführer ziehen in der Welt umher. In jenem Zeitalter bewährt euch, ihr Wahrhaftigen."
Der Ginza ist in zwei Teile unterteilt, der Rechte Ginza enthält mythologische, kosmologische und moralische Traktate, der Linke Ginza Hymnen und Lieder über das Schicksal der Seele. Erzählungen über Johannes den Täufer enthält das Johannesbuch (oder Königsbuch). Das Gebetbuch der Mandäer ist das Qolasta, das Liturgien für Taufe und Seelenmesse enthält.
Heute
Im südlichen Irak und im angrenzenden Iran leben heute noch einige tausend bis hunderttausend Mandäer. Da der Islam die Mandäer als Buchreligion anerkennt, waren sie unter islamischer Herrschaft nach dem Gesetz eine geschützte religiöse Minderheit und konnten ihren Glauben ausüben. Die Mandäer gehören, nicht zuletzt aufgrund ihrer traditionellen Berufe, vor allem Gold- und Silberschmied sowie Juwelier, aber auch andere Handwerke, im Irak zur oberen Mittelschicht. Nach dem Sturz des Saddam-Regimes, unter dem sie staatlichen Schutz genossen, sind sie wie auch die christlichen Minderheiten Ziel islamistischer Extremisten. Nach einem Bericht des BBC im März 2007 fürchten die Führer der Gemeinschaft ihre Ausrottung im Irak. Es seien nur noch etwa 5.000 Mandäer im Irak übrig[1]. Eine bedeutende Auslandsgemeinde, die sich um Erhalt und Förderung der mandäischen Sprache bemüht und Texte in Originalsprache herausgibt, lebt in Australien.